Lernen am Tablet

Serious Games und „Gamification“ – Moderne Lernhilfe oder pure Ablenkung?

Der wachsende Konsum von Computer- und Videospielen ist gerade unter Eltern eher mit negativen Assoziationen wie Abhängigkeit, Aggressionsaufbau und Haltungsschäden verknüpft. Allerdings können wir unsere Augen nicht mehr vor der Tatsache verschließen, dass dieser Teil der modernen Technik sich immer mehr verbreitet und auch immer mehr zur Normalität wird. 89% der 10 bis 18-Jährigen spielen nachweislich bis zu drei Stunden täglich Computer- oder Videospiele. Ebenso ist es Ihnen vielleicht auch schon aufgefallen, dass viele Kleinkinder, die noch lange nicht lesen oder schreiben können, sehr wohl schon auf dem Handy „swipen“ und es bedienen können. Da ist es logisch, dass sich bereits viele Firmen überlegt haben, die faszinierende Wirkung, die solche Spiele auf Kinder haben, mit einem Lerneffekt zu koppeln: „Serious Games“ oder „Gamification“ werden diese „Erziehungs-Spiele“ genannt und natürlich gibt es auf dem Markt auch schon eine ganze Auswahl „Serious Games“ rund ums Zähneputzen.

 

Sie als Eltern und wir als Kinderzahnarztpraxis müssen da natürlich auf dem neuesten Stand informiert bleiben. Im Folgenden geben wir Ihnen einen kleinen Einblick, was diese Spiele leisten können und was eben nicht.

 

Es werden bei den „Serious Games“ zwei Arten unterschieden: Die eine Gruppe konzentriert sich lediglich auf die Förderung kognitiver Aspekte, es geht also um die Vermittlung von Wissen und um die mentale Motivation (z.B. Protectus, Reise nach Zahnasien, Attack of the S. mutans). Die andere Gruppe bezieht motorische Aufgaben mit ein, die über verschiedene Feedbackmechanismen aufzeigen sollen, wie gründlich z.B. das Zähneputzen ausgeführt wird (z.B. Playbrush, Philips Sonicare for kids, Rainbow, Disney Magic Timer App).

Panic et al. stellten 2014 fest, dass der Lerneffekt nach Besprechung abschreckender Kariesbilder bei Kindern nur dann eine andauernde Wirkung hatte, wenn nicht im Anschluss ein Spiel die Kinder ablenkte. Eine Untersuchung des Spiels „Rainbow“ von Vigilant konnte zwar zeigen, dass die Zahnputzeffekte mit Spiel im 6-wöchigen Test besser waren als ohne Spiel (Höfer et al.), allerdings drängt sich die Frage auf, ob diese positiven Effekte nur am Anfang wirken, solange das Spiel noch interessant ist. Danach könnte das Zähneputzen langweiliger als zuvor sein. Auch stellt sich die Frage, ob die Effekte entsprechend schlecht werden, wenn das Spiel mal nicht zur Verfügung steht (z.B. im Urlaub, bei Oma etc).

 

Eine weitere Studie untersuchte das Produkt „Playbrush“ mit der dazugehörigen App „Utoothia“ mit sowohl Kindern als auch Erwachsenen als Tester. Dabei müssen die Probanden die Zahnbürste im Mund so bewegen, dass auf dem Bildschirm ein kleiner Ritter alle Monster bekämpft. Die Ergebnisse zeigten zum einen, dass das Spielgeschehen auf dem Bildschirm die Kinder massiv vom eigentlichen Zähneputzen ablenkte, und daraus ergibt sich sogar eine Verletzungsgefahr. Außerdem lässt sich die App austricksen, denn sie erkennt nicht, ob die Bewegungen wirklich im Mund oder außerhalb des Mundes ausgeführt werden. Für die kleinen Tester war hinzukommend der Aufsatz, der zum „Spielen“ auf die Handzahnbürste aufgesteckt werden muss, auf Dauer viel zu schwer.

Das Fazit lautet also: Zahnputzspiele sind genau das – Spiele. Vehemente Putzverweigerer kann man vielleicht durch sie aus der Reserve locken, aber für die tägliche Mundhygiene sollten die Kinder lernen, sich auf das Putzen mit der richtigen Technik zu konzentrieren. Auch sollten die Eltern jedes mal aktiv in das Zähneputz-Ritual einbezogen sein. Als Vormacher und als Nachputzer! Denn die Regel des zweimaligen Putzens am Tag wird am besten akzeptiert, wenn sie augenscheinlich auch für Mama und Papa gilt. Falls sie noch Inspiration für ein Zahnputzlied brauchen, schauen sie doch mal hier:

 

Zahnputzsong für die Kleineren: https://www.youtube.com/watch?v=h6P9ZBDjHEY

Zahnputz-Rap für die Größeren: https://www.youtube.com/watch?v=V60O9NVijbQ

 

Falls Sie Fragen zu diesem oder anderen Themen haben, sprechen Sie uns gern bei Ihrem nächsten Termin darauf an!

 

Viel Spaß beim Zähneputzen wünscht das Team der Zahnarztpraxis Dr. Melanie Elger

 

 

(anlässlich des Artikels „Können Serious Games die Oralprophylaxe unterstützen?“ und „Wenig Benefit für Zähne, viel Spaß für Kinder“ in „Zahnärztliche Mitteilungen, Ausgabe 16.10.2017)