Quetschies

Vitaminbombe oder Kariesbombe?

Der absolute Renner auf dem Lebensmittelmarkt sind derzeit die sogenannten „Quetschies“, zuckerhaltige Fruchtpürees in Quetschbeuteln. Die kommen nicht nur bei den Kindern gut an, weil sie lecker sind und Spaß machen, sondern vor allem auch bei den Eltern, die glauben, ihren Kindern mit vielen Vitaminen etwas Gutes zu tun. Damit werben zumindest die Hersteller wie zum Beispiel Schwartau, Alete, Hipp und andere namenhafte Firmen. Oft findet man auf der Packung der „Quetschies“ zwar Warnungen wie: „Häufiges und dauerndes Umspülen der Zähnchen mit Fruchtpüree aus dem Beutel kann schwere Zahnschäden (Karies) verursachen“ (Hipp GmbH, 2016), dennoch werden die Produkte schon für Kinder ab einem Alter von einem Jahr empfohlen.

„Quetschies“ enthalten zwar Vitamine, aber bei weitem nicht so viele wie frisches Obst. Außerdem entfällt, anders als bei frischem Obst, der natürliche Abriebeffekt an den Zähnen, eine natürliche Art der Zahnreinigung. Am allerwichtigsten ist uns aber, vor dem Fruchtzucker und den Säuren, die in „Quetschies“ enthalten sind, zu warnen. Ein „Quetische“ kann bis zu 17,7 Gramm Zucker pro 100 Gramm enthalten, das sind stolze 6 Stück Würfelzucker. Bei so einer geballten Zuckerladung gepaart mit dem Saugansatz, der den Inhalt geradewegs auf die Zähne lenkt, ist die Karies fast vorprogrammiert. Diese Art von Karies gibt es leider aufgrund unzureichender Ernährungsaufklärung der Eltern so häufig, dass sie bereits einen eigenen Namen hat, die „Saugflaschen-Karies“ oder auf Englisch „nursing bottle syndrome“. Der pH-Wert der Produkte, der die Stärke der enthaltenen Säuren angibt, liegt zwischen 2 und 3 und ist damit ungefähr vergleichbar mit der Ortho-Phosphorsäure, welche wir bei Füllungstherapien zum Ätzen der Zahnoberfläche verwenden. Da ist es logisch, dass die regelmäßige Kombination aus viel Zucker und starken Säuren den Zahnschmelz schneller erweichen lässt, als man mit den Zahnarztbesuchen hinterherkommen kann. Hinzu kommt, dass der Saugansatz, der oft zu lange zwischen den Zähnen gehalten und gelutscht wird, das Kieferwachstum behindert und zu Zahnfehlstellungen führt, die man später nur noch durch aufwendige kieferorthopädische und oft auch logopädische Behandlungen in den Griff bekommt.

Andere Länder sind uns, was die Aufklärung über Quetschies angeht, weit voraus. In England warnen sogar Tageszeitungen mit den Worten: „Squeezable fruit purees are a sweet snack, but could rot kid’s teeth, dentists warn“, auf Deutsch: “Quetschbare Fruchtpürees sind ein süßer Snack, aber lassen Kinderzähne verrotten, Zahnärzte warnen vor ihnen” (Miller, Daily News, 2013). Auch die Amerikanische Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde (AAPD) warnt besonders an Festtagen wie Halloween vor derartigen Snacks. In Deutschland ist das Bewusstsein über Kariesgefahr in „Quetschies“ immerhin schon in den Verbraucherzentralen angekommen. Die Verbraucherzentrale Niedersachsen testete dieses Jahr verschiedene Produkte und stellte fest: „Regelmäßiges Nuckeln an Quetschies kann Karies verursachen, weil die Zähne vom Fruchtpüree umspült werden“ (2016a).

Viele Eltern glauben, mit der gelegentlichen Gabe von „Quetschies“ als Snack für unterwegs nichts anrichten zu können, da sie selbst noch viel regelmäßiger zuckerhaltige- und säurehaltige Lebensmittel zu sich nehmen und nur selten dadurch direkt Zahnprobleme bekommen. Was diese Eltern nicht wissen, ist, dass der Zahnschmelz-Mantel der Milchzähnchen völlig anders aufgebaut ist als der an Erwachsenenzähnen. Bei bleibenden Zähnen müssen die Säuren sich durch eine Schmelzschicht von mehreren Millimetern fressen, bevor sie ins weiche Zahninnere gelangen. Bei Milchzähnen ist diese Schutzschicht an vielen Stellen nicht einmal halb so dick. Zusätzlich ist der Schmelz von Milchzähnen aus chemischer Sicht weniger hart. Was also bei Erwachsenen eine verzeihliche Schwäche in der gesunden Ernährung ist, ist bei Kindern eine echte Gefahr. Der letzte Wackelzahn geht in der Regel erst mit zwölf Jahren oder sogar noch später verloren. Kinder, die schon als Zweijährige schwere kariöse Läsionen aufweisen, haben keine Chance, ihre Milchzähne bis dahin behalten zu können und nicht selten bleiben sie bis zum Durchbruch der bleibenden Zähne (also viele lange Jahre) komplett zahnlos. Daraus resultieren nicht nur Probleme bei der Nahrungsaufnahme und der Sprachentwicklung, sondern häufig auch psychische Leiden.

Wir bitten Sie als verantwortungsbewusste Eltern also dringend: Vermeiden Sie Zucker- und Säurebomben wie die „Quetschies“ oder auch Apfelschorlen und Eistees in Nuckelflaschen gänzlich! Achten Sie darauf, immer NACH dem Essen die Zähnchen zu putzen und kommen sie halbjährlich zur zahnärztlichen Untersuchung, sodass eventuelle Zahnschäden rechtzeitig erkannt und behoben werden können.

Falls Sie Fragen zu diesem Thema haben oder Tipps für die Zahnpflege und Ernährung zu Hause brauchen, sprechen Sie uns gern bei Ihrem nächsten Termin an.

Ihre Kinderzahnarztpraxis Dr. Melanie Elger

(anlässlich des aktuellen Berichts „Obst kauen statt quetschen“ in „Zahnärztliche Mitteilungen“, Ausgabe 01.09.2016, Nr. 17)