Wo Kinderarzt und Zahnarzt streiten.
Die allgemeine Wirksamkeit von Fluorid als Vorsorge gegen Karies ist zum Glück heutzutage wissenschaftlich belegt und führt nicht mehr zu Diskussionen zwischen Ärzten und Zahnärzten. Es steht fest, dass Fluorid ist eines der wichtigsten Mittel zur Vermeidung von Karies ist. Koch und Lindhe führten bereits in den 60er und 70er Jahren Versuche durch, bei denen Schulkindern regelmäßig mit fluoridierter Zahnpasta die Zähne geputzt wurden. Zu jener Zeit war fluoridierte Zahnpasta in den privaten Haushalten noch weitgehend unbekannt. Die Versuche bewiesen, dass diese Maßnahme zu einer nachweislichen Besserung der Mundhygiene und vor allem einer Reduzierung der Kariesaktivität der Kinder im Vergleich mit Kindern führte, die nicht mit fluoridierter Zahnpasta putzen (siehe “Long-Term Study of Effect of Supervised Toothbrushing with a Sodium Fluoride Dentifrice” – Koch, Lindhe et al.). Weiterhin umstritten ist die Gabe von Fluoridtabletten an Kinder.
Kinderärzte empfehlen häufig für die ersten Lebensjahre Tabletten, um einem eventuellen Vitamin-D-Mangel bei Kindern vorzubeugen. Zusätzlich war man lange Zeit überzeugt, diesen Kindern auch Fluoride in Tablettenform zuführen zu müssen, um schon früh Karies zu vermeiden. Als praktische Maßnahme wurden daher Tabletten mit Vitamin-D und Fluoriden als Kombination entworfen, welche noch immer von vielen Kinderärzten standardmäßig empfohlen werden.
Aus der Sicht der Kinderärzte ist diese Empfehlung auch gerechtfertigt, da für sie in erster Linie die Vitamin-D-Ergänzung wichtig ist. Der tatsächliche Sinn und Zweck der zusätzlich enthaltenen Fluoride fällt allerdings eher in den Kompetenzbereich der Zahnärzte, die wenig von Fluorid-Ergänzung in Tablettenform halten. Verständlicherweise führt dieser Umstand sehr oft zu Verwirrung und Verzweiflung der Eltern, die nicht mehr wissen, wem sie ihr Vertrauen schenken sollen. Bei etwas so Wichtigem wie der Gesundheit der eigenen Kinder sollte absolute Klarheit herrschen und Vertrauen in den behandelnden Arzt und Zahnarzt vorhanden sein.
Aus diesem Grund widmen wir uns in diesem Artikel der genauen Aufklärung über Fluoride und wie sie eingesetzt werden sollten, um ihre optimale Wirkung entfalten zu können.
Fluorid ist ein Spurenelement, welches als Baustein in die Zahnhartsubstanz eingebaut werden kann und somit den Zahn resistenter gegen Säuren und Karies macht (siehe „Fluoride – Wirkungsmechanismen und Empfehlungen für deren Gebrauch“ – Hellwig et al., veröffentlicht in ZMK, 17.12.2013). Es wird auf natürliche Weise in Bergwerken in Mexiko, China und den USA abgebaut und landet in unserer Zahnpasta und anderen fluoridhaltigen Produkten – auch in Tabletten.
Fluoridtabletten werden relativ schnell von den Kindern zerkaut und geschluckt. Das Fluorid gelangt so über die Magenschleimhaut in den Blutkreislauf und wirkt „systemisch“, also von innen auf den ganzen Körper. Der Ort, an dem das Fluorid gebraucht wird, nämlich die Zahnoberfläche, wird so leider nicht erreicht. Hinzukommend kann Fluorid, wenn es von innen in den Zahn eingebaut wird und zu hoch dosiert ist, zu sogenannten Fluorosen führen, weiß-gelblichen Flecken auf den Zähnen, die ein ästhetisches Problem darstellen können und die Substanz des Schmelzes eher schwächen als stärken. Die Fluoridtabletten können also nur positiv wirken, wenn sie nicht gekaut und schnell geschluckt, sondern ausschließlich gelutscht werden und so lange direkt auf den Zähnen wirken können. Die Erfahrung zeigt, dass dies bei kleinen Kindern in der Regel nicht durchführbar und auch schwer kontrollierbar ist. Einfacher ist es da, festzulegen, gar keine Fluoridtabletten zu geben, sondern nur auf die lokal zugeführten Fluoride zu vertrauen, die kontrollierbarer sind und aufgrund ihrer Applikation direkt auf den Zähnen eh eine bessere Wirkchance haben.
Leider gibt es noch keine offizielle Leitlinie, die als Empfehlung der gesamten Ärzte- und Zahnärzteschaft mitgeteilt wurde. Immerhin werden diese Erkenntnisse schon in Fachzeitschriften publiziert und hoffentlich unter Kollegen weitergegeben. Kinderärzte sollten bei Bedarf am besten reine Vitamin-D-Tabletten ohne zusätzlichen Fluoridgehalt empfehlen. Hilfreich wäre es zusätzlich, wenn sie darauf hinweisen würden, dass auch Kinder regelmäßig zum Zahnarzt gehen müssen, um dort die Zähne prophylaktisch mit Fluoridlacken behandeln zu lassen. So wäre gleichzeitig sichergestellt, dass kein Kind durch das Raster der zahnärztlichen Untersuchung fällt, was leider häufig passiert, wenn die Eltern nicht von dem Kinderarzt auf diese Notwendigkeit aufmerksam gemacht werden.
Wann Fluorid und wieviel?
Alter des Kindes | Putzempfehlung |
Bis zwei Jahre: | Morgens: Putzen mit Wasser
Abends: Putzen mit Kinderzahnpasta (für unter 6-Jährige) |
Zwei Jahre bis zum ersten bleibenden Zahn: | Morgens und abends mit Kinderzahnpasta putzen (für unter 6-Jährige) |
Ab dem ersten bleibenden Zahn: | Morgens und abends mit Juniorzahnpasta putzen (für ab 6-Jährige) |
Erwachsenenzahnpasta sobald sie schmeckt (der Fluorid-Gehalt ist der gleiche wie in der Juniorzahnpasta |
Wenn Sie Fragen zu diesem oder einem anderen Thema haben, sprechen Sie uns gern bei Ihrem nächsten Besuch darauf an!
Ihre Kinderzahnarztpraxis Dr. Melanie Elger
(anlässig des aktuellen Artikels „Kinderärzte oder Zahnärzte: Wer hat Recht beim Thema Fluoridtabletten für Kinder? Nüchterne Betrachtungen zur Auseinandersetzung“ in „Z-2000 – Das Magazin für Zahnmedizin und Kultur in der Metropol-Region Hamburg“, Ausgabe Nr.3, Aug-Okt. 2016)